“Tragen Sie Unterwäsche?”
Hannah – Dezember 2018
Am letzten Freitag, 30.11.2018, war ich beim ersten Selbstständigentag, den Freeliance organisiert hat. Olla sagte mir, dass ich doch unbedingt ein Thema für ein Barcamp vorschlagen sollte für all die anwesenden Frauen. Ich nannte es „Female Empowerment ohne Klischees – die besonderen Herausforderungen für Frauen und mögliche Lösungen.“ Worauf sind wir in unserem Berufsleben – ob in Selbstständigkeit oder als Angestellte – schon gestoßen, wie sind wir damit umgegangen, wie würden wir heute damit umgehen und welche Ratschläge haben die anderen Frauen für uns. Dazu tauschten wir uns in 45 Minuten aus.
„Tragen Sie Unterwäsche?“ ist eins meiner Lieblingsbeispiele. Auch wegen der Reaktion der Frau, die es erlebt hat. Sie saß dabei als einzige Frau in einer Besprechung mit vielen weißen Männern in Anzügen (so viel zu der Freiheit von Klischees). Was glaubt ihr, hättet ihr gemacht? „Ich wäre schockiert gewesen… Ich hätte vermutlich meine Bluse aufgemacht oder das Shirt hochgezogen und gesagt ‚Gleich hier?‘“, sagten die Frauen am Freitag. Wie schlagfertig sind wir wohl in einer Situation, in der man nicht mit so einem heftigen Spruch rechnet?
Du darfst direkt sein. Sag es ruhig! Was mir im vor allem beruflichen Umfeld oft passiert, ist, dass ich als arrogant oder zickig empfunden werde, weil ich sehr direkt und sachlich bin. Von Frauen wird ein Verhalten erwartet, das wir mal als weiblich sozialisiert bezeichnen und vor allem auf Harmonie und Gemeinschaft ausgerichtet ist. Weiche Umschreibungen, keine Verhandlungsstärke und -härte. Ich bin noch dabei, das richtige Maß zu finden, direkt aber trotzdem freundlich zu sein, ohne weich zu wirken. Und immer höflich bleiben – egal wie man zurück feuert. Auch wenn der andere es nicht ist. „Do it anyway“, bleib deinen Werten treu.
Als gute Strategie ist hier zum Beispiel vorher anzukündigen, dass man nun sehr sachlich und direkt sprechen wird. Dann weiß mein Gegenüber schon, was sie*ihn erwartet und kann es einsortieren. In den meisten Fällen. “Ich werde meine Meinung ganz direkt zum Ausdruck bringen. Ich werde so konkret wie möglich sein.” Gut ist es auch, wenn man erklärt, weshalb man so antwortet und hierbei auf die Werte abzielt: “Ich sehe das als eine Frage der Ehrlichkeit und Integrität, deshalb ist es wichtig für mich, klar zu sein, wo ich stehe.”
Übrigens finde ich Tara Mohr’s Buch „Playing Big“ ganz gut, um mal zu schauen, wie wir eigentlich kommunizieren und was einfache Anpassungen bewirken und sie führt durch das Buch und gibt uns praktische Mittel an die Hand.
Freitag hörte ich dann: „Aber ich bin doch immer sachlich und direkt und habe keine Lust, um den heißen Brei zu reden.“ Auch sie ist eher diejenige in den Gesprächen, die das Geschäft zum Abschluss bringt und sich als den „bad cop“ von beiden bezeichnen würde.
Rede weiter! Kennt ihr das, wenn ihr sprecht und ihr unterbrochen werdet, obwohl ihr noch nicht fertig seid? Es gibt ja bestimmte Kommunikationsweisen und es gibt immer mal den Atemzug, der andeutet, dass man hier unterbrechen und antworten darf. Wenn man weiterreden würde, würde vermutlich keine weitere Aussage kommen. Aber dann gibt es eben die Situationen, in denen man eben noch nicht seinen Standpunkt genannt hat. Redet weiter…werdet nur ein bisschen lauter. Aber redet einfach weiter. Auch die anderen Anwesenden merken, dass der Unterbrechende einen unpassenden Zeitpunkt gewählt hat. Dann noch ein kleines Lächeln nachsetzen, wenn man fertig ist. Das nächste Mal wird man sicher nicht wieder unterbrochen.
Übrigens: Wenn ihr nur ein klein bisschen lauter sprecht, macht ihr weniger „Ääähm“!
Bring nicht den Kaffee: Wir Frauen werden ja vermehrt dazu erzogen, gastfreundlich und zuvorkommend zu sein. Außerdem sehen wir ja auch oft, was anderen fehlt. (Hat hier irgendwer was über Klischees gesagt?!) Aber bring nicht den Kaffee mit! Natürlich ist es freundlich und nett. Man will ja auch nicht eine Schreckschraube werden. Ich bin hier um gehört zu werden, weil das, was ich sage, verdammt gut und richtig ist. Und nicht um Kaffee zu bringen.
Teamdynamik, Männer und die Wichtigkeit der Netzwerke: Wir wissen, dass die Dynamik im Team uns stark macht. Entweder dadurch, dass man unterschiedliche Rollen annimmt, dass eine mehr mit dem Gegenüber „klickt“ als andere. Und nicht zuletzt, weil man sich gegenseitig bestärkt, nachts noch telefoniert und sich beruhigt. Vorgehen für das Gespräch bespricht, die man dann vielleicht trotzdem nicht einhält.
Wenn euch etwas oder ein Team hierfür fehlt, dann holt es euch: Wenn ihr beruflich beispielsweise alleine unterwegs seid, ist ein Netzwerk, in dem ihr euch sicher fühlt, ebenso gut. Stellt die Gespräche nach, bereitet sie vor, besprecht Strategien. Holt euch Feedback – vorher und nachher. Wir sind beispielsweise nur Frauen im Gründerteam und legen viel Wert darauf, uns immer mit männlichen Mentoren und Coaches zu umgeben.
Habt ihr mal probiert, die eher typischen Rollen unter euch im Team zu tauschen? Wir sind nach kurzer Zeit in die Rollen zurück gerutscht, in denen wir uns wohler fühlen und die eben authentischer zu unserer jeweiligen Persönlichkeit gehören. Authentisches Auftreten ist nicht zu unterschätzen. Wenn unser Äußeres nicht mit unserem Innern übereinstimmt, merkt die Person, die uns gegenüber sitzt, ebenso und fühlt sich unwohl, da etwas nicht stimmig ist, ohne immer zu wissen, was genau.
Kennt ihr das Beispiel der Frauen, die nicht weiterkamen in Verhandlungen, beim Funding etc.? Sie haben kurzer Hand einen männlichen Mitgründer erfunden, der dann aber zufällig bei den Terminen keine Zeit hatte. Plötzlich bekamen sie, was sie verlangten.
Beim letzten Mal haben wir auch etwas probiert: Wir haben einen Mann an den Tisch gebracht. Nur mal hingesetzt, um zu schauen, wie sich die Dynamik verändert. Ich glaube, der Mann saß zu weit weg. Aber deutlich war, dass sich unser Gegenüber nur mit Frauen wohler gefühlt hat. Aber an der jeweiligen Verhandlungsposition hat es nichts geändert. Wir freuen uns also auf mehr Schritte mit diesem Partner.
„Tragen Sie Unterwäsche?“ Die Frau hat in die Runde geschaut, die anwesenden Männer angeschaut und gefragt „Halten Sie das für ein angemessenes Verhalten?“
Empowered (wo)men empower women: Wir hoffen, wir müssen über diese Dinge irgendwann nicht mehr schreiben. Aber bis dahin: Lasst uns zusammen stark sein und jeden Tag etwas bewegen. Was sind eure Ideen dazu? Was ist euch schon passiert und wie habt ihr es gelöst? Oder wozu hättet ihr gerne einen Ratschlag? Schreibt uns an hi@CoWomen.com